Milch könnte Fraktur- und Sterberisiko im Alter erhöhen, im Gegensatz zu Käse, Joghurt

2014-10-29 dpa Quelle

Uppsala – Die günstige Wirkung von Milch auf den Knochen, die durch ihren hohen Gehalt an Kalzium, Phosphat und Vitamin D vor einer Osteoporose im Alter schützen soll, wird durch eine Studie aus Schweden infrage gestellt. Nach der Publikation im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2014; 349: g6015) könnte ein hoher Milchkonsum bei Frauen das Risiko von osteoporotischen Frakturen erhöhen. Für Männer und Frauen wurde eine Asso­ziation mit einer erhöhten Mortalität gefunden, die die Autoren auf eine oxidative Wirkung von Galaktose zurückführen.

Milch gilt als gesund für die Knochen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung betrach­tet das Getränk als „Calciumlieferant Nr. 1“. Bereits ein viertel Liter Milch deckt den Tagesbedarf eines Erwachsenen. Drei oder vier Gläser Milch am Tag könnten nach Berechnung eines US-Experten die durch die Osteoporose entstehenden Gesundheits­kosten um 20 Prozent vermindern.

Diese vorbehaltlos positive Einschätzung teilen Karl Michaëlsson von der Universität Uppsala und Mitarbeiter nicht. Ihrer Ansicht nach hat die im Milchzucker enthaltene Galaktose auch unerwünschte Nebenwirkungen. Das Monosaccharid fördere im Körper Entzündungsreaktionen und steigere den oxidativen Stress. Sie berufen sich dabei auf tierexperimentelle Studien, in denen bereits die subkutane Gabe von 100 mg/kg Galaktose bei Mäusen Alterungsprozesse beschleunigt hat. Diese Menge würde beim Menschen ein bis zwei Gläsern Milch entsprechen, nur dass dieser die Galaktose nicht subkutan verabreicht, sondern als Bestandteil der Laktose oral zu sich nimmt.

Um ihre These von einer schädlichen Wirkung der Milch zu untermauern, hat Michaëlsson jetzt die Daten aus zwei schwedischen Langzeituntersuchungen analysiert. Die „Schwedische Mammographie Kohorte“ umfasst 61.433 Frauen im Alter von 39 bis 74 Jahren aus den Bezirken Uppsala und Västmanland, die zur Einladung zum Mammographie-Screening auch Ernährungsfragebögen beantwortet haben.

In der „Kohorte schwedischer Männer“ hatten sich 45.339 männliche Einwohner von Örebro und Västmanland im Alter von 45 bis 79 Jahren zu ihren Ernährungs­ge­wohnheiten geäußert. In beiden Kohorten wurde zwischen Milch und vergärten Milchprodukten unterschieden, was von Bedeutung ist, da Joghurt und Käse nur einen geringen Anteil an Laktose und damit D-Galaktose enthalten.

Aufgrund der einheitlichen Identifikationsnummern konnten die Forscher das Schicksal der Teilnehmer leicht recherchieren. In der Schwedischen Mammographie Kohorte waren in durchschnittlich 20 Jahren 15.541 Frauen gestorben, 17.252 hatten eine Fraktur erlitten, darunter waren 4.259 Hüftfrakturen, die in der Regel Folge einer Osteoporose sind.

Frauen, die drei oder mehr Gläser Milch am Tag (durchschnittlich 680 ml) tranken, hatten nach den Berechnungen von Michaëlsson ein um 93 Prozent erhöhtes Sterberisiko (Hazard Ratio HR 1,93; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,80-2,06). Das Frakturrisiko war bei den Frauen ebenfalls erhöht: Für jedes tägliche Glas Milch nahm es um 2 Prozent zu (HR 1,02; 1,00-1,04), bei den Hüftfrakturen betrug der Anstieg 9 Prozent (HR 1,09; 1,05-1,13). Bei den Männern, die bekanntlich seltener an einer Osteoporose erkranken, war das Knochenbruchrisiko nicht signifikant erhöht. Für die Gesamtsterblichkeit ermittelte Michaëlsson einen Anstieg um 3 Prozent pro Glas Milch (HR 1,03; 1,01-1,04).

Der Verzehr von fermentierten Milchprodukten mit einem geringen Laktosegehalt (einschließlich Joghurt und Käse) war dagegen bei den Frauen mit einer reduzierten Sterblichkeit und Knochenbrüchen assoziiert.

Michaëlsson konnte bei 5.022 Frauen der schwedischen Mammographie Kohorte und bei 1.138 Männern aus einer weiteren Kohorte, der Uppsala Longitudinal Study of Adult Men, Harnproben auf den 8-iso-PGF2 untersuchen. Es handelt sich um einen Meta­boliten des Prostaglandinstoffwechsels, der als Biomarker für oxidativen Stress verwen­det wird. Für beide Geschlechter ermittelte Michaëlsson eine positive Assoziation zwischen dem Milchkonsum und dem oxidativen Stress. Bei den Männern bestand auch eine Assoziation mit dem Entzündungsmarker Interleukin 6 im Blut.

Bewiesen ist ein schädlicher Einfluss von Milch auf die Gesundheit damit natürlich noch nicht. Auch Michaëlsson fordert, die Ergebnisse an anderen Kohorten zu prüfen. Die Ergebnisse würden jedoch zumindest die derzeitige Empfehlung eines hohen Milch­konsums zur Vorbeugung von osteoporotischen Frakturen infrage stellen. Die Bevöl­kerung vor einer milch-induzierten „Galaktosämie“ zu warnen, wäre jedoch verfrüht. Zu den Folgen der angeborenen Galaktosämie, die durch einen Gendefekt ausgelöst wird, gehört laut Michaëlsson allerdings ein erhöhtes Risiko auf chronische Erkrankungen einschließlich einer Osteoporose. © rme/aerzteblatt.de